Von Eleganz zu Nonchalance: Die neue Männermode

Jeroen van Rooijen

 


Gedanken zu Männern und Moden von Jeroen van Rooijen.

EIGENTLICH BIN ICH GANZ ANDERS, ICH KOMM NUR VIEL ZU SELTEN DAZU. DU MACHST HIER BALD MIT EINEM BEKANNTSCHAFT, DEN ICH GENAUSO WENIG KENNE WIE DU. – Udo Lindenberg & Jan Delay

Zack, und alles war anders. Dreissig Monate haben gereicht, um die Konventionen der Herrenkleidung komplett auf den Kopf zu stellen. Seit Anfang 2020, als die meisten Menschen sich (zumeist nicht ganz freiwillig) in ihr Schneckenhaus zurückzogen und erst Monate später wieder rauskamen, ist in der Menswear nichts mehr wie vorher. Die Verwerfungen der Pandemie haben Entwicklungen, die sich bereits abgezeichnet haben, in den Turbo-Modus geschaltet. Die «Casualisierung», also die Entwicklung der Alltagsgarderobe in Richtung Freizeit- Looks, bekam massiv Schub.

Als Modemenschen sind wir an abrupte Wechsel und Überraschungen gewöhnt, in diesem Fach findet solches ja dauernd statt. Aber das, was nun passiert ist, ist schon ein Quantensprung, ein Paradigmenwechsel, eine Zeitenwende. Es geht zwar immer noch um Hemd, Hose und Jackett, aber doch ganz anders. Das Vertraute hat einen neuen Dreh.

Das führt zu ganz neuen Begriffen, die wichtig sind: An die Stelle der Eleganz ist die Nonchalance getreten. Statt um den Fetisch Passform geht es nun um Komfort und Lässigkeit. Weichheit und Geschmeidigkeit sind keine unmännlichen Merkmale mehr, im Gegenteil: Klassisch maskulin ist ein alter Hut, die Stereotypen kommen immer mehr aus der Mode, der Mann erfindet sich neu, als kaleidoskopische Erscheinung zwischen den Klischees.

Pop-Idol Harry Styles hat einen Ton gesetzt, der zu einem vielstimmigen Chor angeschwollen ist. Der Mann ist variantenreich und verhandelbar. Das kann Angst machen – oder auch Appetit auf Neues stimulieren. Gehen wir davon aus, dass der Mann seine neuen Freiheiten zu nutzen weiss. Einen Rock und Rüschen wird er meistens nicht brauchen, aber eine neue Hose, ein neues Hemd. Bequem, easy, lässig.

Das Wohlgefühl in der Kleidung, in den letzten zweieinhalb Jahren von Home-Office ein zentrales Motiv der Modebranche, möchte man auch in Zukunft nicht missen. Das Gefühl bleibt wichtig, auch wenn der Look natürlich nicht mehr so stark vom Trainingsanzug geprägt ist.

Was heute zählt: Die Entspanntheit, die Mühelosigkeit – hierfür hat die Mode den eleganten Begriff «Effortless» gefunden, also ohne Kraftanstrengung. Das Bemühen (der «Effort») um das Outfit darf nicht erkennbar sein. Der Auftritt muss immer so wirken, als habe man sich keine grossen Gedanken gemacht oder besondere Investments getätigt.

Macht Ihnen Kopfzerbrechen? Nicht doch. Wenden Sie sich vertrauensvoll an den Fachmann, der weiss genau, wie es geht.

Jeroen van Rooijen (52) ist Stilkritiker und Kolumnist, schreibt für internationale Zeitungen und Magazine und war 2015 Mitbegründer des Alferano Concept Stores in Zürich.