Wie geht Smart Casual?


Der vermeintliche Allround-Dresscode Smart Casual wurde erfunden, um die steifen Regeln der Businesskleidung zu lockern. Doch einfacher ist es damit leider nicht geworden. Eine kleine Begriffsklärung.

Von Jeroen van Rooijen

Der Zeitgeist hat den Mann von Anzug und Krawatte befreit – seit er vermehrt im Home Office tätig ist, erst recht. Man trägt nun als Standard freizeitliche Casualwear (Jeans, Shirts, Pullover) und wenn es etwas gepflegter sein soll, greift der Mann zu «Smart Casual». Der beliebte Hybrid-Dresscode kommt dort zur Anwendung, wo das klassische Büro-Outfit nicht ganz passend erscheint. Er verbindet Nützliches mit Angenehmem, schlägt einen Mittelweg zwischen Business- und Freizeitbekleidung vor. Und genau da liegt der Hund begraben, denn: Wo genau verläuft dieser Mittelweg, und wo beginnen seine rutschigen Randzonen?

Was Businessbekleidung ist, weiss fast jeder, auch wenn er selbst etwas anderes trägt: Anzug, Hemd und Krawatte, dazu elegante Schnürschuhe beziehungsweise Rockkostüm oder Hosenanzug mit Bluse und Pumps oder Ballerinas für Frauen. Was Freizeitbekleidung ist, muss auch kaum je erklärt werden – es handelt sich um einfache Alltags-Kleidung, die für beide Geschlechter gleich aussieht. Nicht alle sehen gut darin aus, aber das ist ein anderes Kapitel.

Handelt es sich bei Smart Casual nun also um eine Art «verdünnter» Businessgarderobe? Oder eher um veredelte Freizeitkleidung? Ein Handbuch hierzu gibt es, wie meistens in der Mode, nicht. Wer nach Begriffsklärungen sucht, stösst auf Hunderte, sich teilweise widersprechende Empfehlungen. Wie so oft ist der, der zu viel googelt, am Ende verwirrter als vor der Suche.

Rekapitulieren wir darum kurz die Bausteine des Begriffs. «Smart» meint «schlau» und bezieht sich auf den legeren Look der zeitgenössischen Brain Workers, die in Cafés vor ihren Laptops sitzen statt im Grossraumbüro. Man will so clever wirken wie einer, der kraft seiner Ideen nach ganz oben kommt, nicht seines teuren Anzugs wegen. Und der Begriffs-Baustein «Casual» bedeutet «der Situation angepasst». Also zurückhaltend, unaufgeregt und moderat.

Wenn Smart Casual gefragt ist, trägt man also ein unauffällig-entspanntes Universal-Outfit. Es funktioniert gleichermassen fürs Date, für einen informellen Geschäftstermin wie für das Beförderungsgespräch beim Chef.

Wer einen Anzug trägt, lässt die Krawatte weg und den obersten Kragenknopf offen. Verbreiteter als ein Anzug ist jedoch die Kombination aus Hose und Jackett. Das zeitgenössische Sakko ist recht schmal geschnitten und weich verarbeitet. Anstelle klassischer Hosen können auch Chinos oder dunkle Jeans – ohne Abrieb oder Destroyed-Waschungen – getragen werden.

Zum Hemd (mit langen Ärmeln) wiederum gibt es wenig Alternativen. Ein T-Shirt ist ebenso zu wenig «smart» wie ein Sweatshirt oder ein Hoodie. An Sommertagen kann aber ein Polo-Shirt erwogen werden, im Winter auch ein dunkler Rolli, allenfalls eine nicht gemusterte, hochwertige Strickjacke. Und bitte: Krawatte zu Smart Casual nur tragen, wenn man stil- und trittsicher ist, sonst sieht das zögerlich und unentschlossen aus, eben nicht «smart». Ein Einstecktuch kann dagegen funktionieren – aber bitte nicht zu ordentlich zusammengefaltet. Und die Schuhe sollten geschnürt sein, es sind aber auch edle Sneakers, Loafers und Mokassins in helleren Farben denkbar. Flipflops und Sandalen eignen sich aber auch im Jahr eins des Post-Corona-Zeitalters noch immer nicht fürs Business.

Jeroen van Rooijen ist freischaffender Stilkritiker und war 2014 Mitbegründer des Alferano-Concept-Stores.